Kontakte, Kontakte, Kontakte – und dann??

Heute bringen wir einmal die Sozialpsychologie und die “neuen Medien” zusammen. Wir klären, was Kontakte eigentlich sind, was hinter dem “Wahn nach Kontakten” in sozialen Netzwerken wie Xing steckt und welchen Sinn sie wirklich machen. Abschließend vielleicht ein paar Punkte wie genau man Kontakte gewinnt und dann freue ich mich auf eine rege Diskussion im Blog! ;-)

Räumen wir erstmal mit einem Irrglauben auf: Online-Kontakte sind nicht automatisch soziale Beziehungen per Definiton, denn dazu müssen mindestens zwei Personen “miteinander interagieren und sich durch diese Interaktion in Ihrem Erleben und Verhalten gegenseitig beeinflussen.” (Stürmer & Barth, Sozialpsychologie Fernuni Hagen)  Die spezifischen Merkmale der Interaktion bestimmen jetzt die Enge der Beziehung und für uns den Unterschied zwischen “Kontakt” und “Beziehung”: Beziehungen sind demnach u.a. dadurch gekennzeichnet, dass

  1. ein hohes Maß an wechselseitiger Abhängigkeit besteht
  2. die Partner auf unterschiedlichen Ebenen (kognitiv, affektiv  und verhaltensbezogen) Einfluss aufeinander ausüben
  3. dieser Einfluss intensiv ist, i.d.R. als positiv erlebt wird und in unterschiedlichen (nicht nur wenigen) sozialen Situationen besteht, und
  4. alle diese Eigenschaften die Beziehung über eine gewisse Dauer kennzeichnen.

Steigen wir noch etwas tiefer in die Theorie der Beziehungsforschung ein und grenzen zwei Beziehungstypen von einander ab. Nach Thibaut & Kelly (1959) oder Blau (1964) dienen interpersonale Beziehungen dem Austausch individuell benötigter materieller, sozialer oder psychologischer Ressourcen. Nach diesen Austausch- und Interdependenztheorien hängt es also vom Verhältnis der wahrgenommenen Nutzen und Kosten ab, die für die Beteiligten aus der Beziehung resultieren, ob eine Beziehung aufgenommen, aufrechterhalten oder abgebrochen wird. Clark & Mills (1983) differenzieren hieraus nun noch zwei Beziehungstypen, Austauschbeziehungen (“exchange relationships“) und sozial motivierte bzw. Gemeinschaftsbeziehungen (“communal relationships“). Ich denke, Austauschbeziehung charakterisieren am besten unsere primären Online-Kontakte, da dort das Prinzip “quid pro quo” zählt, also die Bereitstellung von Ressourcen wird durch die Bereitstellung einer vergleichbaren Ressource auf der Partnerseite “bezahlt”. Soziale Beziehungen im engeren Sinn und so häufiger im Offline-Bereich gepflegt, sind eher Gemeinschaftsbeziehungen, wo es um die Bedürfnisse bzw. das Wohlergehen des Gegenüber geht und sich die Bereitstellung von Ressourcen eben am Bedürfnisprinzip orientiert. Das sind dann enge Beziehungen und Freundschaften, die allerdings, und darum geht es hier, nicht mit Kontakten in sozialen Netzwerken gleich gesetzt werden dürfen.

Wir sind also soziale Wesen, streben nach Verbindungen zu “Gleichartigen” und erhoffen uns Nutzen daraus. Soziale Netzwerke ebnen hierzu den Weg. “Person xy möchte sich mit Dir verbinden” “Accept” Klick, Kontakt bestätigt! Body Count +1

Hier bricht sich nun ein ganz anderesPhänomen Bahn, dass man gern als “Sammelleidenschaft” abtut. Man kann es auch als Wunsch sehen, seinem Tun Sinn zu verleihen, indem man ein messbares und akzeptiertes Ordnungssystem erstellt, in diesem Fall “Anzahl an Kontakten”, das damit soziale Erfolgsgrößen vorgibt.

In meiner Ausbildungszeit zum Sporttaucher habe ich jeden nur erdenklichen Kurs besucht und für jeden erfolgreichen Abschluss einen “Badge” zum Aufnähen und einen Eintrag ins “Logbuch” bekommen. Nach einiger Zeit schien es mehr um das Sammeln als um die Inhalte zu gehen. Ähnlich kann man das bei Wandersleuten beobachten, die für jeden Gipfel eine Plakette für Ihren Wanderstock bekommen. Deshalb nenne ich auch die “Vielkontakterei” gerne mal das “Wanderstocksyndrom 2.0“.

Doch was ist denn jetzt so verwerflich an vielen Kontakten? Nichts, es kommt nur darauf an, ob meine Kontake sinnstiftend und nutzbringend sind oder sein können.

Man sollte zwei Arten von sozialen Online-Kontakten unterscheiden: Zielgerichtete oder “content driven” und “Zufallskontakte“. Die letzteren bekomme ich automatisch als Mitglied in Gruppen wie “Kontaktnetzwerk” “Kontaktspinne” oder einfach nur “Kontakt” z.B. bei Xing zusammen mit einem meist passenden Sinnspruch, wie “Kontakte schaden nur dem, der keine hat”. Nichts gegen diese Kontaktgruppen, man muss nur auch hier selektiv vorgehen und sollte sich nicht wundern, wenn man mal “offline” von einem MLMer kontaktiert wird ;-)
Die andere Gruppe erfordert etwas mehr Engagement, der Nutzen kann jedoch enorm sein! Und das haben wir ja oben gelernt, macht im Prinzip den Reiz und die Beständigkeit dieser Beziehungsart aus.

Die zielgerichteten Kontakte suche ich konkret aus, soziale Netzwerke helfen und erweitern den Aktionsradius imens. Zu diesen Kontakten fühle ich mich aus Interesse oder Gleichartigkeit hingezogen. Uns verbindet vielleicht derselbe Beruf, dasselbe Hobby oder Studium, die gleichen Ansichten oder Ziele, vielleicht sind es aber auch Meinungsmacher oder Vorreiter und ich will mich inspirieren und informieren lassen. All das und noch viel mehr! Einfach gesagt, dienen die “richtigen” Kontakte der Ideensammlung, dem Informationsaustausch, der Geschäfts- oder Kooperationsanbahnung und vor allen Dingen auch der eigenen Reputationsbildung.

Der Clue am korrekten Kontakten liegt darin, seine Zielgruppen zu selektieren und “ante actio” ein Einverständnis zur Kontaktaufnahme zu erwirken. Neudeutsch nennt man das Ganze dann eine “community” aufbauen. Habe ich im Vorfeld meine Zielgruppe bereits persönlich angesprochen und Ihr Einverständnis zur losen Verbindung erreicht, kann ich nun versuchen die Beziehung zu stärken, um sie für mich nutzbringender zu gestalten. Wer reagiert auf welche Posts, wer will sich zu welchem Thema einbringen, wer bietet von sich aus Dinge an, wer erscheint altruistisch? Spannende Fragen, nichts desto trotz kann ich meine gut selektierten Kontakte auch direkt zur Ansprache nutzen, vorausgesetzt es bringt ihnen einen Nutzen.

Habe ich zum Beispiel eine große Gruppe Kontakte, die alle eine bestimmte Dienstleistung anbieten, die ich aktuell benötige, reicht eine Kurzmitteilung oder Statusänderung, um die sonst so kostbare Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu erreichen. Ähnlich geht es natürlich auch wenn ich etwas anbiete. Habe ich z.B. eine große Gruppe wechselwilliger Arbeitnehmer um mich geschart und suche nun jemand der auf Position xy passt und Lust hat, führt meine Kurzanfrage zwangsweise zu zahlreichen Bewerbungen auf die Vakanz.

Doch wie komme ich nun an diese Kontakte ran?

Das Wissen dazu braucht man sich nicht in Seminaren aneignen, denn man hat es in die Wiege gelegt bekommen. Was offline funktioniert, funktioniert auch online, nur viel leichter!

Gehen Sie in Ihr bevorzugtes Netzwerk, suchen Sie sich Ihresgleichen, Gleichgesinnte oder für Sie Interessante heraus und sprechen Sie diese an! Machen Sie den gegenseitigen Nutzen klar. Manchmal hilft auch schmeicheln ;-) Besuchen Sie auch mal die Profile anderer und Sie werden sehen, auch das führt zu zielgerichteten Kontaktanfragen. Genauso können Sie oftmals sehen, warum jemand Ihr Profil besucht hat und dies vielleicht für eine Kontaktanfrage nutzen. Je aktiver und besser vernetzt Sie sind, je attraktiver können Sie ggf. auf Ihr Gegenüber wirken. Und bemühen wir hierzu noch einmal abschließend die Wissenschaft, so weiß diese, dass Interpersonale Attraktion eine wichtige sozialpsychologische Grundlage für die Aufnahme enger Beziehungen ist. Natürlich ist das mühsam, erfordert Disziplin und Durchhaltevermögen, aber selbst wenn Sie keine direkten Geschäfte dadurch tätigen, wird Sie diese Art des Netzwerkens enorm bereichern und Ihnen in mancherlei Hinsicht die Augen öffnen. Probieren Sie es aus!

Alles Blödsinn? Was denken Sie über den Inhalt dieses (zugegebenermaßen etwas zu lang geratenen) Artikels? Hinterlassen Sie mir einen Kommentar!

PS.: Gerne können Sie mich auch auf Xing besuchen und ankontakten ;-)
Christoph Fischer

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